Multisensorisches Marketing: Mit Papier und Karton Kaufimpulse setzen

Multisensory-marketing

Wie nehmen Konsumenten in einer überreizten Welt Produkte und Marken wahr? Was beeinflusst ihre Kaufentscheidungen? Neuropsychologische und verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse ergeben: Der Mensch nimmt multisensorische Signale schneller und besser wahr. Papier oder Karton – in der dickeren Variante – ist ein multisensorisches Gesamtpaket – und kann so Kaufimpulse fördern.  Unsere heutige Welt ist geprägt von ständiger Überreizung und Überforderung: Uns erreichen täglich zwischen 3.000 und 13.000 Werbebotschaften, rund 79.000 Marken werben um unsere Käufergunst und im Supermarkt warten im Schnitt 15.000 Produkte darauf, gekauft zu werden. Als Markenhersteller fragt man sich daher häufig: Wie schafft mein Produkt es, sich von anderen abzuheben? Wie optimiere ich den Kaufanreiz am Regal? Einen Vorteil dabei hat der, der weiß, wie wir Menschen in dieser überreizten Werbewelt Marken und Produkte wahrnehmen.  

 

Die Verpackung spricht alle Sinne an

Fakt ist, 90 Prozent der Kaufentscheidungen werden unbewusst gefüllt. Der Mensch ist meist gehetzt, von der Menge an Umweltreizen überfordert und gering involviert. Er kauft deshalb das Meiste intuitiv und emotional, denn das spart Energie. Die entscheidenden Kauftreiber sitzen im Unterbewusstsein und entstehen aus individuellen Motiven und Zielen. Über die Sinne können diese Ziele effektiv angesprochen werden. Die Verpackung leistet dazu als wichtiger Träger der Markenidentität einen wertvollen Beitrag. Sie vermittelt den funktionalen sowie psychologischen Nutzen des Produkts am Point of Sale – dort wo wir das Produkt mit all unseren Sinnen erfahren können. Wenn uns die Verpackung glaubwürdig die Erfüllung unserer Ziele verspricht, kaufen wir das Produkt. Dabei gilt: Je mehr Sinneseindrücke die Qualität bzw. das Markenversprechen spürbar machen, desto attraktiver wird das Produkt.  

 

Multisensorisches Marketing – Marketing mit allen Sinnen

Multisensorische Eindrücke wecken unsere Aufmerksamkeit, erhöhen die Erinnerungsleistung, erzeugen Glaubwürdigkeit, steigern die Wertschätzung und erzeugen mehr Kaufbereitschaft. Mit jedem zusätzlich angesprochenen Sinneskanal erhöht sich die Gehirnaktivität um den Faktor 10. Das heißt, wenn es gelingt, eine Qualität bzw. ein Nutzenversprechen über einen zusätzlichen Sinn spürbar zu machen, ist das Gehirn des Shoppers um 1000 % aktiver. So werden Produkte attraktiver, bleiben besser in Erinnerungen und die Wiederkaufsrate steigt. Die multisensorische Verstärkung wirkt allerdings nur, wenn alle Sinneskanäle die gleiche Botschaft empfangen und die daraus gewonnenen Assoziationen eine Belohnung versprechen.  

 

Haptik, die vergessene Kraft im Marketing

Lange Zeit konzentrierte man sich im Marketing nur auf zwei Sinne: Das Sehen (z.B. Plakate, TV-Werbung) und das Hören (z.B. Radio- und TV-Werbung). Die anderen drei Sinne spielen auch heute oft immer noch eine untergeordnete Rolle. Dabei hat vor allem die Haptik einen starken Einfluss auf die Kaufbereitschaft. In einer Zeit von Fake-News und allgemeiner Werbeskepsis ist sie wertvoller denn je. Sie ist unser Wahrheitssinn: Wir können uns verhören und versehen, aber "verfühlen" kennen wir nicht. Mit den Händen überprüfen wir visuell wahrgenommene Eindrücke. Bestätigt die Prüfung den optischen Eindruck, dann gibt uns das Sicherheit und wir glauben dem Produktversprechen ohne weitere Prüfung.

"Zeig es mir und ich sehe, sag es mir und ich höre, lasse es mich fühlen und ich glaube Dir!"

Kunden, die Produkte in die Hand nehmen, kaufen generell auch eher, als jene, die Produkte nicht anfassen. Deshalb sind Produkte mit angenehmer Produkthaptik in Entscheidungssituationen am Regal erfolgreicher als ihre Konkurrenz. In der Regel fassen wir aber nicht sofort das Produkt an, sondern zuerst die Verpackung. Sie muss positive Assoziationen und Gefühle beim Kunden wecken, die sich dann auch auf das Produkt übertragen.  

 

Papier berührt uns – und regt zum Kauf an

In Sachen Wahrnehmung ist Papier ein echter Leckerbissen für unser Hirn. Struktur, Geruch, Form und Farbe, Typo und Bilderwelten bilden ein multisensorisches Gesamtpaket. Seine Oberfläche kann zusätzlich durch Veredelungen fühlbar verändert werden. Dadurch lassen sich unterschiedliche haptische Reize generieren und so verschiedene Emotionen beim Konsumenten wecken. Richtig eingesetzt, können Verpackungen aus Papier oder Karton einen wertvollen Beitrag zum Absatzerfolg leisten. Eine aktuelle Studie belegt genau das. Grundsätzlich erhöhte dabei der Einsatz von hochwertigem Papier die Kaufmotivation. Veredelungen steigerten die Aufmerksamkeit und Kaufreiz zusätzlich. Je hochwertiger das Papier und die Veredelung, desto stärker war auch der Kaufimpuls.  Gleiches gilt natürlich für Karton – aus dem Verpackungen produziert werden.   Doch Vorsicht: Die Annahme ein schwerer Karton und eine hübsche Prägung zahlen automatisch auf die Kaufbereitschaft und Markenbildung ein, ist genauso eine Mär wie "Millionen Klicks = Millionen Umsätze" bedeuten. Es braucht eine Passung zwischen haptischem Reiz und der für den Kunden relevanten Zielen. Das Naturpapier, was für einen Kosmetikhersteller wunderbar wirkt, weil es Assoziationen zu Natürlichkeit, Tradition und Nachhaltigkeit weckt, wird für einen Elektronikanbieter, der Innovation, Erregung und Spaß verspricht, furchtbar floppen. Um das Wirkpotential von Papier für Ihre Marke richtig zu nutzen, muss es aus dem funktionalen und psychologischen Nutzenversprechen des Produkts und der Marke abgeleitet werden. Festzuhalten ist: Der Mensch hat fünf Sinne. Unser Gehirn liebt multisensorische Reize. In einer audio-visuell überreizten Welt bietet die Haptik deshalb großes Potenzial für effektive Markenbildung und erfolgreichen Verkauf. Durch neuropsychologische Erkenntnisse wissen wir heute besser denn je wie Haptik auf den Menschen wirkt. Schlau ist, wer sich das jetzt zunutze macht und nicht wartet, bis es der Wettbewerb tut.

 

Info zum Gastautor:

Olaf Hartmann ist einer der führenden Experten für multisensorisches Marketing. Er ist Unternehmer, Autor, Marketingberater und Schöpfer des Werbewirkungsmodells ARIVA, das den Einfluss der Sinne auf die Aufmerksamkeit, die Markenerinnerung, die Glaubwürdigkeit von Werbeversprechen sowie die Kaufbereitschaft beschreibt.

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Hartmann startete seine Karriere in der internationalen Werbung der Bayer AG und war 7 Jahre lang Referent am Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen. 1995 gründete er die auf haptische Markenkommunikation spezialisierte Agentur Touchmore, ist seit 2009 Geschäftsführer des Multisense Instituts für multisensorisches Marketing sowie Mitglied in der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens. Zusammen mit dem Werbepsychologen Sebastian Haupt schrieb er den Marketing Bestseller "Touch! – Der Haptik-Effekt im multisensorischen Marketing" und erstellte  2018 im Auftrag der Creatura Brancheninitiative des Fachverband Medienproduktion f:mp die erste internationale Meta-Analyse zur Werbewirkung von Print.

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